Mit der Sammlung und Analyse exakter Verkehrsdaten will Boston gefährliche Kreuzungen sicherer machen. Die Zahl der Verkehrstoten in der Stadt soll bis 2030 auf null sinken.
In jeder Stadt gibt es mindestens eine gefährliche Kreuzung, an der sich Autos, Lastwagen und Busse mit Fahrradfahrern und Fußgängern drängeln. Die Folge können Verletzungen sein und manchmal auch Todesfälle. Kann ein Netz aus drahtlos verbundenen Kameras und Sensoren, zusammen mit raffinieren Algorithmen, die das Verhalten von Menschen auf der Straße analysieren, Besserung bringen?
Daten zur Straßen-Umgestaltung
Der Telecom-Anbieter Verizon versucht derzeit in Boston, das herauszufinden. In diesem März hat das Unternehmen begonnen, Verkehrsdaten zu Autos, Fahrrädern und Fußgängern an einer der hektischsten Kreuzungen der Stadt zu sammeln. Die Informationen sollen genutzt werden, um die Straßen umzugestalten, sagt Vineet Gupta, Leiter Politik und Planung in der Verkehrsabteilung der Stadtverwaltung. Mit den Daten solle geprüft werden, ob Veränderungen wie neue Ampelphasen oder Fahrradspuren Wirkung zeigen.
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Das letztliche Ziel von Boston ist, bis 2030 die Zahl der Verkehrstoten in der Stadt auf null zu senken. Wenn das Projekt Erfolg hat, könnten auch andere Städte „smart street“-Technologien einführen.
Derzeit werden die Daten an der Kreuzung zwischen der vierspurigen Masachusetts Avenue und der dreispurigen Beacon Street gesammelt, nahe an einer Brücke, die Boston mit Cambridge verbindet. In den Jahren 2015 und 2016 wurden dort 16 Fußgänger und Fahrradfahrer schwer verletzt, ein Fahrradfahrer starb nach einem Zusammenstoß mit einem Tieflader.
Kameras auf den Verkehr
Wie andere Städte sammelt auch Boston Verkehrsdaten ansonsten manuell und nutzt als Grundlage für sein Verkehrsmanagementsystem branchenweite Standards statt lokaler Informationen. Um genauere Daten zu bekommen, hat Verizon die Kreuzung mit 50 Kameras und Sensoren ausgestattet, darunter „Quad-Kameras“, von denen jeder vier kleinere Kameras enthält, die schwenken, kippen und in unterschiedliche Richtungen zoomen können. Hinzu kommen Infrarotkameras für Wärmebildaufnahmen, die beim Erkennen von Verkehrsaktivität bei Regen oder Schnee helfen. Unter der Straße hat Verizon Dutzende von Magnetometer-Sensoren installiert, die Geschwindigkeit, Zahl und Größe von vorbeifahrenden Autos, Lastwagen und Bussen erfassen. Dazu registrieren sie die Frequenzveränderungen, die entstehen, wenn große Metallobjekte darüber fahren. Weil die meisten Fahrräder aus nicht genügend leitendem Material bestehen, um von diesen Sensoren erfasst zu werden, kommt für diese Fortbewegungsmittel Radar-Erfassung hinzu.
Verkehrsteilnehmer im Blick
Die Sensor-Daten werden dann mit zwei weiteren Arten von Informationen korreliert: von der Stadt bereitgestellte Informationen über die Standorte der Busse und mit Software, die exakt weiß, wann welche Ampel grün, gelb oder rot ist. Die Algorithmen von Verizon gehen diese Informationsströme durch und achten dabei auf „Auslöser“-Interaktionen, beispielsweise Videomaterial von einem Auto, das sich einer Fahrradspur nähert. Diese Datenpunkte werden dann mit Informationen von anderen Sensoren abgeglichen, um zu ermitteln, ob es sich im einer der zwölf komplexen „Verkehrsereignisse“ handelt, die Verizon für die Stadt beobachtet. Die meisten davon haben mit Fahrzeugen auf Zebrastreifen und Fahrradspuren zu tun, mit Behindern von Fußgängern und Parken in der zweiten Reihe. Außerdem zählt Verizon, wie viele Autos und Fahrräder bei roter Ampel fahren, wobei die Stadt versprochen hat, diese Daten nicht für Strafmandate oder -verfahren zu nutzen. Verizon gibt an, dass Videodaten nach sieben Tagen gelöscht werden und dass es keinerlei Aufzeichnungen zu einzelnen Personen oder Fahrzeugen gibt.
Die Genauigkeit der Daten gibt der Stadt die Möglichkeit, für jeden Tag zu sehen, welche Verkehrssituationen an bestimmten Bereichen der Kreuzung am meisten Probleme bereiten. So zeigen erste Ergebnisse, dass Autos Fußgängern an der westlichen Seite der Kreuzung häufig die Vorfahrt nehmen; in diesem Bereich wurde auch 2015 der Fahrradfahrer getötet.
Sensortechnik entlang der Straße
Wie die Stadt sagt, will sie ihr smart streets-Programm auf ein halbes Dutzend Kreuzungen entlang der Massachusetts Avenue ausweiten, um besser zu verstehen, wie die Straße als Verkehrskorridor durch die gesamte Innenstadt von Boston funktioniert. Möglicherweise werden auch Sensoren zur Messung der Luftqualität installiert, um Luftverschmutzung zu erfassen und möglichst zu verringern.
(Elizabeth Woyke) / (sma)