Nach den saudischen Hinrichtungen: Der Nahe Osten im Eskalationsmodus

Russland will im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran vermitteln

Der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran, ausgelöst durch die Hinrichtung des schiitischen Predigers Nimr al-Nimr, zieht ziemlich rasch größere Kreise. Das Pandämonium Naher Osten führt wieder einmal vor, wie schnell sich Krisen in der Region aufschaukeln und ausbreiten können und wie wenig Widerstand dem entgegengesetzt wird. Stattdessen entsteht der Eindruck, dass Eskalation willentlich gesucht wird.

Saudi-Arabien hat inzwischen der Aufhebung der diplomatischen Beziehungen mit Iran (Machtspiele: Saudi-Arabien verschärft Konflikt mit Iran) – sämtliche iranische Diplomaten müssen das saudische Königreich binnen 48 Stunden verlassen – noch weitere Maßnahmen hinzugefügt : Alle Flüge von Iran nach Saudi-Arabien werden gestoppt, die Handelsbeziehungen werden abgebrochen. Saudi-arabische Bürger dürfen nicht mehr in den Iran reisen und iranische Bürger sind nur als Hadsch-Pilger willkommen.

Der saudi-arabische Außenminister al-Jubeir verhält sich dabei wie der typische Falken-Politiker: „Nein, nicht wir eskalieren“, erklärt er. „Die anderen sind es“, lässt er verstehen. Alle Bewegungen Saudi-Arabien seien reaktiv.

Den Angriffspart schiebt er Iran zu. Mit einer Begründung, die die Konfliktzone zeitlich und räumlich sehr weit zieht. Vorgehalten wird Iran dessen Einmischung im Libanon, mit Anspielung auf die Hisbollah, und in Syrien; Irak und den Jemen hat al-Jubair bei dieser Gelegenheit einmal ausgelassen.

There is no escalation on the part of Saudi Arabia. Our moves are all reactive. It is the Iranians who went into Lebanon. It is the Iranians who sent their Qods Force and their Revolutionary Guards into Syria.

Es scheint ganz so, als ob der saudische Außenminister auf eine Eskalation hingearbeitet hat. Dass sich die saudische Führung über das provokative Potential der Hinrichtung klar war und dies als politisches Manöver willentlich durchgeführt hat, wird von kritischen Kommentaren deutlich herausgearbeitet.

Allerdings lieferten die Angriffe auf die saudi-arabische Botschaft in Teheran und dazu die unterstützenden Kommentare seitens des obersten Führers Khamenei (Ayatollah Khamenei: Göttliche Rache für das Todesurteil) die passende Antwort für weiteres böses Blut.

Bemerkenswert sind dazu Beiträge westlicher Medien, die in den Aktionen weiteres Konfliktpotential herausstellen. So erkennt Najmeh Bozorgmehr in der Financial Times in der Botschaftsattacke Konfliktlinien innerhalb Irans. Die Attacke, bei der mutmaßlich Bassidschi, die mit den Revolutionären Garden verbunden sind, eine tragende Rolle gespielt haben, zeige einen Kampf zwischen dem Lager der Reformer und der Hardliner in Iran an. Noch mehr schlechte Nachrichten für das Lager um Präsident Rouhani seien zu erwarten.

Im Editorial des Wall Street Journals wird der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran noch weiter zugespitzt – in Richtung Russland. Die Saudis seien oft schwierige Alliierte, heißt es dort, besonders durch die Unterstützung radikaler Islamistenmoscheen und -schulen (die Dschihadisten in Syrien hat man weggelassen) durch reiche wahhabitische Scheichs, aber sie seien nichtsdestoweniger die besten Freunde angesichts der politischen Unruhen und des iranischen Imperialismus – die Folgerung:

Die USA sollte Iran und Russland ganz klar verdeutlichen, dass sie das Königreich von iranischen Versuchen, es zu destabilisieren oder dort einzumarschieren, verteidigen wird.

Eine absurde Vorstellung – dass Iran eine Invasion in Saudi-Arabien vorhat – wird hier zum Anlass genommen, um eine martialische ultimative Position einzunehmen, die der Konflikt über das Todesurteil eines eigenwillig gegen Staatsmacht (übrigens auch der syrischen) rebellierenden schiitischen Geistlichen, der sich über den Tod eines ihm verhassten saudischen Herrschaftsmitglieds freute, nicht zwingend fordert.

Beunruhigend ist, dass die zahnradhafte Loyalität, wie sie zum Beispiel Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Sudan in Solidarität mit Saudi-Arabien zeigen, indem sie ebenfalls ihre Beziehungen zu Iran kappen solchen irrationalen Aufwiegelungen zuarbeiten. Dass die wahhabitisch inspirierten und von Saudi-Arabien geförderten Milizen in Syrien ebenfalls eine Solidaritätserklärung für das Königreich aussprachen, ist auch Teil der laufenden Lager-Ausrichtung.

Laut einem Le Monde-Bericht gibt es aufgebrachte Demonstrationen von Schiiten im Irak, im Jemen, in Bahrain, in Pakistan und im indischen Kaschmirtal.

Es wäre also eher die Zeit, die Erregung zu zügeln, statt mit Lager-Positionierungen weiter anzufachen. Russlands Regierung setzt dem nun einen anderen Vorschlag entgegen. Laut einem Tass-Bericht, der sich auf eine hochrangige Quelle stützt, will Moskau den saudi-arabischen und den iranischen Außenminister zu vermittelnden Gesprächen einladen. Ob diese der Einladung folgen, bleibt offen.

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