Letzte Wahlkampfwoche in Athen

Profitieren die Konservativen vom linken Bruderkampf?

Alexis Tsipras gibt sich im griechischen Wahlkampf weiter siegessicher, zumindest in der Öffentlichkeit. „SYRIZA ist am Sonntag die stärkste Partei“, verkündet Pressesprecherin Olga Gerovasili. Tsipras selbst hat den Slogan „Dieses Mal wählen wir den Premier“ zum neuen Motto auserkoren.

Jüngste Umfragen zeigen ein anderes Bild. Der Zuspruch für den vom Linken zum Sozialdemokraten gewandelten Tsipras sinkt stetig. Sein Konkurrent, der Interims-Vorsitzende der Nea Dimokratia Vangelis Meimarakis, wittert derweil Oberwasser. Er gibt in Interviews offen zu, dass er erst jetzt wirklich glaubt, der nächste Premier zu werden.

Vangelis Meimarakis, der Konkurrent vonTsipras, vor der Fernsehdebatte. BIld: W. Aswestopoulos

In den aktuellen Umfragen liegt die Nea Dimokratia vorne

Tsipras ficht diese augenscheinlich schwierige Ausgangslage nicht an. Ganz im Klima des sprachlich eher auf niedrigem Niveau geführten Wahlkampfes greift er zu Fußballanalogien. Es ist, als würde seine Mannschaft mit einem Spieler weniger und gegen einen parteiischen Schiedsrichter kämpfen, meint der frühere Premier.

Umfragen größerer Institute, wie sie zum Beispiel vom Privatsender SKAI bei der Universität Thessalonikis in Auftrag gegeben wurden, zeigen SYRIZA einen halben Prozentpunkt hinter der Nea Dimokratia. Dem gegenüber stehen immer weniger, kleinere Umfragen wie die des Instituts Prorata, die SYRIZA mit vier Prozentpunkten vorn sehen.

Generell sind griechische Umfragen nicht besonders zuverlässig. Sehr oft werden sie im Sinn des jeweiligen Auftraggebers interpretiert, so dass ohne genaues Studium der ursprünglichen statistischen Daten keine Beurteilung möglich ist. Zudem verhalten sich die befragten Griechen systematisch kontraproduktiv. Wähler der Goldenen Morgenröte geben zum Beispiel gern an, dass sie die Nea Dimokratia wählen würden. Im Fall der Abspaltung von SYRIZA, der Laiki Enotita (LAE – Volkseinheit), liegen mangels eines Wahlergebnisses keinerlei eine solche Annahme erlaubende statistische Daten vor.

Bild: W. Aswestopoulos

Analysen der immer noch zahlreichen Unentschlossenen ergaben, dass sich diese zum großen Teil aus frustrierten SYRIZA-Wählern rekrutieren. Diese könnten sich im letzten Moment für die frühere Mutterpartei oder aber für die Abspaltung entscheiden.

Fakt ist jedoch, dass die Werte der Nea Dimokratia in den letzten Wochen stetig steigen. Der eigentlich für eine Übergangszeit eingesetzte Vorsitzende der Nea Dimokratia, Vangelis Meimarakis könnte somit tatsächlich auf seine alten Tage doch noch Premierminister werden. Eigentlich hatte der zum treuen Parteisoldaten degradierte, frühere Verteidigungsminister und Parlamentspräsident die Nea Dimokratia übernommen, um gegen Tsipras im Fall einer vorzeitigen Neuwahl eine Niederlage zu kassieren. Die tatsächlichen Anwärter auf den Parteivorsitz wollten sich aus persönlichen Karrieregründen nicht gegen den im Frühjahr übermächtig erscheinenden Tsipras verschleißen.

Die Ausgangslage wenige Tage vor der Wahl und nach der Fernsehdebatte

Mit seiner betont volksnahen Art und Parolen wie aus dem Wirtshaus konnte Meimarakis bei der Spitzendebatte der beiden Kontrahenten punkten. Alles sieht danach aus, als würde Meimarakis auch große Teile des politischen Zentrums für seine Partei gewinnen. Mit knapp dreißig Prozent durchschnittlicher Sehbeteiligung und fünfzig Prozent der Bevölkerung, die mindestens einige Minuten dabei blieben war der verbale Schlagabtausch der Parteiführer das Fernsehereignis der Woche. Was Wunder, es wurde schließlich von nahezu allen Sendern übertragen.

Gemäß der Analyse der Sehbeteiligung, hat die Fernsehdiskussion selbst keine unentschlossenen Wähler überzeugen können. Die Debatte fand in einem gespielt freundlichen Klima der beiden Kandidaten statt. Sie war langweilig und ohne wirkliche Antworten, wurde jedoch von den Medien überwiegend als Punktsieg Meimarakis stilisiert. Dies wiederum hat die Umfragewerte beeinflusst.

Zudem entfernt sich gerade für den politisch zum Zentrum neigenden Mittelstand der Wahlkampf von einer ideologischen Debatte hin zu einer mit zahlreichen Tiefschlägen geführten Personaldebatte. Als noch wenig beachteter lachender Dritter könnte sich die PASOK erweisen. In Wahlunion mit der Demokratischen Linken und unter neuer Parteiführung schickt sich die ehemalige Regierungspartei an, den dritten Platz im Parteienspektrum zu erobern. Dies wiederum würde Meimarakis Position in der politischen Mitte etwas schwächen. Nicht zuletzt deswegen greift Meimarakis auch auf rechte Stammtischparolen zurück. Gleichzeitig unterstützt Meimarakis mit gezielten Attacken auf Tsipras‘ Wandlung dessen Konkurrenten von der linken Seite.

So nutzte Meimarakis Team eine Äußerung des früheren Finanzministers Euklid Tsakalotos, dass ein Schuldenschnitt am Widerstand der EU-Partner scheitern würde. Ausgerechnet dieses Argument, den ausgehandelten Schuldenschnitt, setzte Tsipras bislang dazu ein, seine Kehrtwende zu erklären. Dies sei der wesentliche Unterschied zu den Sparmemoranden der Nea Dimokratia und der PASOK hieß es. Es ist verständlich, dass die Nea Dimokratia Tsalakotos? Eingeständnis für einen wahlkampftechnischen Konter nutzte. Der SYRIZA-Abspaltung Popular Unity, die unter dem Kürzel LAE firmiert, kam es ebenso gelegen.

Von der Linken, die sich von SYRIZA im Protest zu dessen Kehrtwende abspaltete, erntet Tsipras dagegen sowohl ideologische als auch persönliche Angriffe. Sein früherer Freund und Weggefährte Yanis Varoufakis wird nicht müde, in Interviews zu betonen, dass „der SYRIZA, wie ich ihn kannte, nicht mehr existiert“. Der frühere Finanzminister mischt sich in der aktuellen Wahlkampf lediglich als Beobachter und Kommentator ein. Er verzichtete auf eine eigene Kandidatur.

Nächste Seite

Letzte Wahlkampfwoche in Athen

Die „Volkseinheit“ als neuer SYRIZA?

hier! Ansehen