Amnesty: Türkei schiebt hunderte Flüchtlinge illegal nach Syrien ab

Die Menschenrechtsorganisation spricht von einem „offenen Geheimnis“ und warnt vor den Folgen des EU-Abkommens mit der Türkei

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zwingt die Türkei Flüchtlinge aus Syrien zurück in das Kriegsland und verstößt damit gegen EU-Recht und internationale Bestimmungen.

Etwa Hundert pro Tag, darunter Familien mit Kindern, in einem bekannt gewordenen Fall auch Kinder ohne Begleitung, würden zurückgeschoben. Dies würde schon seit Mitte Januar so praktiziert, weswegen die Zahl der abgeschobenen syrischen Flüchtlinge wahrscheinlich in die Tausende geht, so der Vorwurf von John Dalhuisen, dem Programmleiter der Organisation für Europa und Zentralasien.

Gestützt werden die Vorwürfe auf Gespräche mit Flüchtlingen vor Ort. Drei Tage lang hätten sich Amnesty-Mitarbeiter im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien aufgehalten und mit Eindrücke und Aussagen gesammelt. Einige Aussagen werden in dem Amnesty-Bericht dokumentiert.

Über 200.000 Geflüchtete innerhalb einer Zone von 20 Kilometern

Über 200.000 Geflüchtete („displaced people“) sollen sich innerhalb einer Zone von 20 Kilometern an der türkischen Grenze aufhalten. Laut Aussagen von Hilfsorganisationen wie auch von Bewohnern der Aufnahmelager sollen die Verhältnisse in den Unterbringungen miserabel sein – kein sauberes Wasser, keine ausreichenden Sanitäranlagen, sogar von Entführungen ist die Rede.

Die Vorwürfe, die seit heute Morgen von großen internationalen Medien weiter verbreitet werden, erreichen die Öffentlichkeit drei Tage vor dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens.

Sie nehmen auf, was der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, schon Anfang März beklagte, dass das Abkommen Schutzrechte von Flüchtlingen verletze. Schon zu diesem Zeitpunkt erhob John Dalhuisen von Amnesty den Vorwurf, dass die Türkei Flüchtlinge zurück ins syrische Kriegsgebiet abschiebe.

Amnesty kritisiert seit Wochen die Doppelzüngigkeit des Abkommens der EU mit der Türkei. Der aktuelle Bericht untermauert früher geäußerte Verdachtsmomente gegen die Behandlung der Flüchtlinge.

Kurswechsel in der türkischen Grenzpolitik

So soll die Türkei auf eine völlig andere Grenzpolitik gewechselt haben, als sie sie die Jahre zuvor praktiziert hatte. Der EU sei der Vorwurf zu machen, dass sie die Türkei mit dem Abkommen dazu angeregt hat, das Gegenteil dessen zu machen, was die Schutzbedürftigkeit der Flüchtlinge erfordere. Statt sie darauf zu drängen, den Schutz zu verbessern, werde faktisch das Entgegengesetzte angespornt.

Konkret sehe das so aus, dass die türkischen Grenzpolizisten die vorgeschriebene Registrierung von Flüchtlingen aus Syrien unterlasse oder sogar verweigere. Die Praxis sei, wie auch die Abschiebungen nach Syrien, ein „offenes Geheimnis“.

Schon die Rückführungen von Flüchtlingen von Griechenland in die Türkei verstoße gegen internationale Regelungen und EU-Recht, da die Türkei kein sicheres Herkunftsland sei. Die Zustände würden sich sogar noch verschlimmern, so der Amnesty-Programmleiter. Die neue Grenzpolitik der Türkei kopiere die Festung Europa.

Read more