Beim Investorentag des Kameraherstellers Olympus ging es nicht nur um nackte Zahlen, sondern auch um den Pfeiler des Geschäfts: Medizinische Sonden. In dem Bereich gehören die Japaner zu den Weltmarktführern.
Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus ? und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.
Ich habe mir in meinem Leben ja schon viele Kamerasysteme angeguckt, in denen japanische Firmen den Weltmarkt dominieren. Aber um einen Bereich habe ich den Bogen gemacht: medizinische Sonden zur Magenspiegelung oder Untersuchungen der Nieren, Gedärme, Atemwege oder was weiß ich noch.
Schon beim Gedanken daran sträubten sich mir die Nackenhaare. Aber jetzt kam ich nicht darum herum. Zum Glück hatte ich keinen Termin mit dem Arzt, sondern nur mit dem japanischen Kamerahersteller Olympus zu seinem Investorentag. Aber auf dem Weg zum Vortragssaal standen die Sonden Spalier und riefen mir förmlich zu: Probier‘ mich aus.
Magensonden von Olympus
Natürlich wusste ich, dass es eigentlich heutzutage nicht mehr richtig ist, Olympus als Kamerahersteller zu bezeichnen. Fotoapparate schleppt der Konzern trotz fehlender Gewinne aus dem Grund noch mit sich herum, um durch die raschen Fortschritte in der Sensortechnik und Bildverarbeitung bei Fotoapparaten in seinem Hauptgeschäft, der Medizintechnik, die Nase vorn zu behalten. Bei Magensonden hat Olympus einen Weltmarktanteil von 70 Prozent.
Also überwand ich mich und schaute mir die Geräte näher an. Mein Fazit: Eindrucksvoll, dieser Fortschritt in der medizinischen Kameratechnik. Die dreidimensionale Darstellung von Därmen, in diesem Fall simuliert an einem aufgeschnittenem Croissant, soll Medizinern bei Operationen eine bessere Orientierung bieten, wo sie das Messer anzusetzen haben.
Der neueste Schrei ? in Kooperation mit Sony ? war dann allerdings das Nachbargerät, das die Vorgänge bei Operationen in ultrahoher 4K-Auflösung wiedergibt. Dankenswerterweise wurde in der Sitzungshalle nicht am offenen Herzen, sondern nur einer roten Paprika operiert.
Welches System sich durchsetzen würde, vermochten auch die Olympus-Verkäufer nicht zu sagen. Denn 3D- und 4K-Systeme haben ihre eigenen Stärken. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ein Chirurg, der bei seinen Arbeiten mit dem Skalpell die Schärfe eines 4K-Bildes erlebt hat, nicht mehr so recht mit HD-Bildern zufrieden sein kann.
Drei Millimeter Platz für Medizintechnik
Was mich allerdings mit am meisten beeindruckt hat, war die Miniaturisierung der Sonden. Ein Schlauch für Nase und Atemwege war nur etwa drei Millimeter dick, bot aber Platz für eine HD-Kamera, zwei kleine Lichtauslässe, die das Licht über Glasfaser aus dem Muttergerät bezogen, und einen Kanal für die Instrumente.
Oder die hundertfache Vergrößerung bei der Magensonde, die die Mikroprint-Strukturen auf japanischen Banknoten sichtbar machen konnte. Mit dem bloßen Auge sind die nur als Strich zu erkennen.
Dieser mikroskopische Blick durch die Sonde wirkte wie ein Blick auf die makroökonomischen Trends in Japans Industrieentwicklung. Denn nach dieser Produktschau konnte ich noch besser verstehen, warum Olympus sich so auf dieses Segment versteift ? und andere Firmen auf ähnliche Nischen.
In der Medizintechnik ein Vorsprung an Erfahrung
Zwar versuchen auch in der Medizintechnik immer mehr Firmen wie Samsung ? oder gar aus China ? Fuß zu fassen. Aber die Japaner haben nicht nur einen Vorsprung an Erfahrung. Zudem kommen in diesem Bereich der Elektronik die alten Stärken Japans aus dem Zeitalter der Mechatronik noch voll zum Tragen: die Verbindung von Mechanik und Elektronik sowie deren Miniaturisierung bei gleichzeitig hohem Qualitätsanspruch.
Die Ausweichstrategie auf diese Hightech-Nischen macht Sinn. Auch in Deutschland findet sie statt. Sie garantiert zwar nicht, dass die Rivalen einen nicht überholen. Aber in diesen Nischen, in denen klassische, japanische Tugenden noch eine große Rolle spielen, haben Japans Traditionsfirmen noch die besten Chancen, sich gegen die agilen und aggressiven asiatischen Herausforderer zu behaupten. (Martin Kölling) / (bsc)