Elektroden gegen VR-Übelkeit

Elektroden gegen VR-Übelkeit

Mit den neuen VR-Headsets kommt das Problem, dass sie den Gleichgewichtssinn von Nutzern durcheinander bringen und so Übelkeit auslösen können. Eine für das Militär entwickelte Technologie könnte das ändern.

Eine Technologie zur Bekämpfung von Übelkeit bei Militärpiloten, die in Simulatoren trainieren, könnte bald auch in Headsets für virtuelle Realität (VR) zu finden sein. Allerdings muss man dafür Elektroden am Kopf tragen.

Forscher der Mayo Clinic in den USA arbeiten seit mehr als einem Jahrzehnt an der Technologie. Dabei analysiert Software die Bewegungen, die der Nutzer auf einem Bildschirm vor sich sieht, und zugleich stimulieren elektrische Impulse das Innenohr, um das Gefühl zu erzeugen, dass diese Bewegungen tatsächlich erlebt werden. Die Idee dahinter: die Übelkeit bekämpfen, die sich einstellen kann, wenn man Bewegungen sieht, aber nicht spürt ? wie eben bei Spielen in der virtuellen Realität.

Um die Technologie in Konsumelektronik zu bringen, hat die Mayo Clinic vor kurzem eine Lizenz dafür an vMocion vergeben. Das Unternehmen aus Los Angeles will sie seinerseits an andere Anbieter lizenzieren, die sie für Unterhaltungs- und Medienanwendungen wie Filme oder Spiele einsetzen wollen.

Brad Hillstrom, Arzt und Mitgründer von vMocion, geht davon aus, dass sich die Technologie zumindest bei VR in die Headsets integrieren lässt, denn die benötigten Elektroden sitzen vor allem in Bereichen, die davon ohnehin abgedeckt sind. Noch möchte vMocion nicht sagen, wann das System für Verbraucher zur Verfügung stehen wird; man spreche mit einigen Headset-Herstellern, heißt es nur.

Die elektrischen Impulse der Elektroden wirken auf den Gleichgewichtssinn, was als galvanische Vestibularstimulation bezeichnet wird. Neu ist die Idee nicht ? sie wird seit langem erforscht. Durch den Trend zu VR-Anwendungen aber gewinnt sie an Relevanz. Der Oculus-Gründer Palmer Luckey hat vor kurzem erwähnt, er wolle sie ausprobieren. Und Samsung gab in diesem März bekannt, man entwickle einen Kopfhörer mit Elektroden namens Entrim 4D, der gegen Übelkeit bei VR helfen und zugleich ein Gefühl der Bewegung vermitteln soll.

Wie Forscher der Mayo Clinic berichten, haben sie die neue Anwendung der Technologie in ihrem Labor ausprobiert. Dazu bekamen Probanden auf Flachbildschirmen und VR-Headsets aus der Ich-Perspektive aufgenommene Videos von Achterbahn- oder Mountainbike-Fahrten zu sehen und trugen dabei Elektroden an der Stirn, am Nacken und hinter den Ohren. Algorithmen extrahieren aus jedem Einzelbild der Filme die Bewegungsdaten, die dann in elektrische Impulse umgesetzt werden, um ein Gefühl von dazu passendem Rollen, Gieren und Nicken zu erzeugen.

Laut Michael Cevette, einem Co-Direktor des Mayo-Labors, wurden dabei die elektrischen Signale der Magenmuskeln der Probanden analysiert, um frühe Anzeichen für Seekrankheit bei der Nutzung der Technologie zu erkennen. Wie sich zeigte, kann die Kombination aus Algorithmen und elektrischen Impulsen die Symptome tatsächlich unterdrücken.

Paul Dizio, der sich als Assistant Professor an der Brandeis University mit menschlicher Bewegungskontrolle und Orientierung im Raum beschäftigt, ist trotzdem skeptisch. Nach seinen Worten gibt es reichlich Belege dafür, dass galvanische Vestibularstimulation Seekrankheit mildern kann. Es gebe jedoch nicht genügend Daten, um zu wissen, wie exakt sich das daduch erzeute Bewegungsgefühl steuern lässt.

Außerdem verweist Dizio auf mögliche Nebenwirkungen wie Blitzlicht-Effekte, Kribbeln oder das Gefühl, Champagner-Blasen im Mund zu haben. Weitere Probleme könnten entstehen, wenn Nutzer sich mit dieser Technologie in der virtuellen Umgebung umher bewegen. „Und man braucht diese großen Elektroden am Kopf“, sagt er. „Das ist vielleicht für einen Piloten in der Ausbildung in Ordnung, aber eben nicht ohne Nachteile zu haben.“

(Rachel Metz)

Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe