Polen sperrt sich unter dem Druck der Konservativen gegen die Quotenverteilung, Slupsk will Modellstadt auch in anderer Hinsicht werden
Robert Biedron, Bürgermeister der Mittelstadt Slupsk (zu deutsch: Stolp) in Nordpolen, ist einer der wenigen Politiker Polens, der sich für die Aufnahme von Flüchtlingen stark macht: „Ich sehe dies vor allem aus der Wirtschaftsperspektive. Eine Stadt wie Slupsk entvölkert sich langsam. Wer wird für unsere Renten arbeiten?“, sagte Biedron zu den polnischen Medien.
Es gibt jedoch noch eine andere Motivation. Biedron ist der erste bekennend schwule Abgeordnete und nun auch Bürgermeister des Landes, der sich seit langem gegen die Diskriminierung von Minderheiten einsetzt, und er ist ein Gesellschaftstheoretiker. Die Aufnahme der Asylsuchenden soll in Stadtversammlungen jetzt schon vorbereitet werden.
In einer anderen Versammlung, in der des Sejms, geht es weniger herzlich zu. Der Parteichef der oppositionellen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) Kaczynski erklärte in Warschau am Mittwoch: „Die Deutschen haben einen großen Magneten für die Migranten gebildet. Das ist ihr Problem.“ Die liberal-konservative Regierungspartei „Bürgerplattform“ (PO) versuchte bislang vergeblich mit der Opposition hinter verschlossenen Türen zu einer Übereinkunft in Fragen der Aufnahme von Flüchtlingen zu kommen.
Polen sperrt sich bislang gegen eine Quotenverteilung der Flüchtlinge, wie von der EU vorgeschlagen, da die Angst besteht, gegen die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) die Wahlen zu verlieren. Diese sieht in den Migranten eine Gefahr, dabei hat sie einen Teil der Katholischen Kirche hinter sich. So warnte der Bischof von Warschau-Ost, Henryk Hoser, davor, dass „Europa muslimisch wird“. Andere hohe Geistliche Polens erklären hingegen, die Flüchtlinge aufzunehmen, sei eine Pflicht für Christen. Die PiS führt derzeit in den Umfragen mit rund 13 Prozent Vorsprung.
Biedron, der sich als einziger bekannter Politiker am Samstag an der Pro-Flüchtlings-Demo in Warschau beteiligte, argumentiert, dass während des Zweiten Weltkriegs 116.000 Polen in einem muslimischen Land, im Iran, aufgenommen worden seien (Iran in Polen auf der Suche nach Verbündeten). Dort sei auch nicht nach der Religion gefragt worden.
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Slupsk. Bild: Micha? S?upczewski/gemeinfrei |
Um gegen die Kritik und Hetze im Internet gegen die Flüchtlinge vorzugehen, sollen die künftigen Asylsuchenden in jeder Schulklasse Slupsks von sich erzählen. „Die Jugend muss erfahren, warum die Menschen fliehen, vor was sie fliehen.“ Demnächst solle ein Treffen mit Syrern, die schon einige Zeit in Polen leben, stattfinden. Bislang gibt es kaum Flüchtlinge in Polen, die vor kurzem in das Land kamen. Auch erklärten sich einige Einwohner bereit, Familien aufzunehmen.
Doch trotz vermutlich positiverer Grundstimmung als in anderen Kommunen – einfach wird es nicht. In der Stadt mit 93.000 Einwohnern liegt die Arbeitslosigkeit mit etwa zehn Prozent im Landesdurchschnitt. Doch sie ist wie so oft geschönt – viele verdienen in Großbritannien und Irland ihr Geld, da die Fischverarbeitung und die kleinen Unternehmen nicht genug abwerfen.
Biedron hat im letzten Dezember als Ortsfremder die Wahlen mit dem Versprechen gewonnen, Korruption und Intransparenz in Slupsk aufzulösen. Auch sollen mittels alternativer Energien neue Arbeitsplätze in der konjunkturschwachen Gegend westlich von Danzig entstehen. Durch Kooperationen mit Greenpeace, veganem Essen in den Kantinen und Fahrradwegen soll hier eine progressive Musterstadt entstehen, auch das Konterfei des polnischen Papstes ließ Biedron aus seinem Arbeitszimmer entfernen. Nun wird die Stadt in Hinterpommern zusätzlich zu einem Modell für die Flüchtlingsintegration. Die Liberalen wie die Rechten des Landes werden genau hinschauen.